In diesem Zusammenhang fällt mir auch ein schwerer Unfall ein, dessen Auswirkung vor Ort ich vor einigen Jahren erlebte, als ich mich als Zehnte in die Schlange der Wartenden mit meinem Wagen einreihen musste, da der Unfall die Straße vollkommen blockierte. Ich stieg aus dem Wagen aus und war entsetzt. Entsetzt über das Verhalten der Passanten.
Eine Frau schrie unentwegt: „Er schreit, er schreit…“ Damit meinte sie das Unfallopfer und die anderen Anwesenden zerrissen sich das Maul über den „unmöglichen“ Autofahrer – das Unfallopfer – da er nicht angeschnallt in seinem Auto sitzend, in einer Kurve, vermutlich mit zu hoher Geschwindigkeit, in einen Schulbus gefahren war.
Er selbst trug furchtbare Verletzungen, die Schulkinder lediglich einen Schrecken davon. Wie ich später hörte, hatte er sämtliche Knochen im Leib gebrochen und hat einen lebenslangen Schaden von diesem Unfall erlitten.
Die Wartenden zerrissen sich das Maul und halfen nicht! Niemand tröstete ihn in seinem Schmerz, den er laut aus sich rausschrie, denn diesen hatte er ja – ihrer Meinung nach – schließlich verdient. Selber schuld!
Für mich war und ist solch eine Haltung unfassbar schrecklich und traurig! Ja, dieser Mensch hat einen schlimmen Fehler begangen. Er hat einen schweren Unfall, durch leichtfertiges Fahrverhalten, verursacht. Abgesehen davon, dass den Schulkindern Gott sei Dank nichts weiter als ein Schrecken geschehen ist, erlitt dieser Mensch ein enorm großes Leid.
Hat er tatsächlich keinen Trost verdient? Ist das Menschlichkeit?
Bei meiner Arbeit als Mediatorin bekomme ich tagtäglich das verurteilende Verhalten von Menschen mit. Ich erlebe, wie leichtfertig Menschen andere verurteilen. Dahinter steckt der eigene Anspruch, die Erwartung an uns selbst und die Selbstverurteilung.
Berührend ist stets die spannende Erfahrung, wenn die Menschen, die andere verurteilen, erkennen, dass sie sich selbst in einem viel höherem Maße – bei entsprechenden Gelegenheiten – selbst verurteilen. Worte wie diese: „Ich bin ja wieder mal zu blöd…, hätte ich wissen müssen…, wie kann ich nur so blöd sein, etc.“ geistern durch den Kopf. Aber diese kommen oftmals nur zu Tage, wenn man sich dem Konflikt tatsächlich innerlich stellt. Lieber denkt und äußert man stattdessen: „Der Depp, der ist er doch selber schuld.“ „Weil die das und das getan haben, konnte ich nicht anders.“ etc. Man versucht die Verursachung des Fehlers auf den anderen zu projizieren, damit man sich selbst nicht mit dem Gefühl des Scheiterns, einer heftigen Egoverletzung, auseinandersetzen muss. Weil dies einfach zu schmerzhaft ist.
Wer ist bereit sich zu ändern? Derjenige, der beschimpft wird oder der, der liebevoll getröstet wird und mit dem man dann gemeinsam überlegt, wie man es besser machen kann? Wichtig ist, dass wir lernen mit uns selbst liebevoll und wohlwollend umzugehen und uns auf den Weg zu einer Veränderung einzuladen. Beispielsweise so: „Okay, dass war dumm. Aber wie kam es dazu? Was hat mich gehindert anders zu handeln? Und vor allem: Wie könnte ich es beim nächsten Mal besser machen?
Zwei Fliegen mit einer Klatsche
1. Lösungsorientiertes Denken fördert Motivation
2.Außerdem kann das Hirn nicht zwischen Fiktion und Wahrheit unterscheiden.
Die Lösung liegt vorallem in dem wohlwollenden Umgang mit uns selbst, auch mal 5 gerade sein zu lassen und die Bewusstheit, dass wir alle tagtäflich Fehler machen und das zum Menschsein einfach dazu gehört.
Genau diese entspannte Haltung sich selbst gegenüber zu erlernen – das ist ein ganz großer Bestandteil in meiner Zusammenarbeit mit den Menschen.